Im Gegensatz zu den "modernen" Sprachen Englisch und Französisch wird das Lateinische heute nicht mehr gesprochen. Das Ziel des Lateinunterrichts kann demnach nicht darin liegen, zum aktiven Sprechen dieser Sprache zu befähigen. Es stellt sich also die Frage:
Welche Bedeutung hat der Lateinunterricht für die Kinder in unserer Zeit?
- Latein ist die "Muttersprache" Europas. Es ist nicht nur Mutter der romanischen Sprachen Italienisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Rumänisch, sondern hat auch grundlegende Bedeutung für das Englische und die Beherrschung unserer deutschen Muttersprache: So stammen etwa die Hälfte des englischen Wortschatzes und viele Fremdwörter der deutschen Sprache und Fachbegriffe in den Geistes- und Naturwissenschaften aus dem Lateinischen. Latein lernen kommt also auch dem Englisch- und Deutschunterricht zugute, erleichtert das spätere Erlernen einer romanischen Sprache und hilft, dass "Fachchinesisch" kein Buch mit sieben Siegeln bleibt.
- Der Lateinunterricht eröffnet einen Zugang zur Welt der Antike, in deren Tradition unsere heutige Welt steht. Schließlich hat die griechisch-römische Geisteswelt neben dem Christentum die abendländische Kultur wesentlich mitgeprägt. Wer also ein tieferes Verständnis der Welt, in der wir heute leben, anstrebt, muss zunächst einmal zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren. Der Lateinunterricht ermöglicht es, die Welt von Heute auf der Folie der sie bestimmenden Vergangenheit zu verstehen. Hierzu trägt die Auseinandersetzung mit der lateinischen Literatur Wesentliches bei.
- Der Lateinunterricht führt zu einem besseren Verständnis und besseren Beherrschen der Muttersprache: Lateinische Texte werden sprachlich und inhaltlich erschlossen und ins Deutsche übersetzt. Da die Feinheiten von Sprache und Stil in die deutsche Sprache umgesetzt werden müssen, werden die SchülerInnen zu einem vertieften Verständnis ihrer Muttersprache hingeführt.
- Nach 5-jährigem erfolgreichen Lateinunterricht ab Klasse 6 erhalten die SchülerInnen das "Latinum". Diese Qualifikation ist immer noch Voraussetzung für das wissenschaftliche Studium vieler Fachrichtungen. Auch das "Große Latinum", das an einigen Studienorten für bestimmte Fächer Voraussetzung ist, kann bei Weiterführung des Faches in der Oberstufe erreicht werden.
Wer diese Qualifikation erst während des Studiums erwerben muss, verliert kostbare Zeit.
Der Lateinunterricht kann also den SchülerInnen viel bieten. Es darf allerdings hierbei nicht verschwiegen werden, dass dafür von ihnen auch einiges verlangt wird:
Welche Voraussetzungen sollten die SchülerInnen also mitbringen?
- Zunächst sind mindestens "befriedigende" , besser aber "gute" Leistungen in Deutsch erforderlich.
- Die SchülerInnen sollten zu einem gewissen mathematisch - abstrakten Denken fähig sein und an geschichtlichen Fragen nicht uninteressiert sein.
- Zwar bedeuten weniger gute Leistungen in Englisch nicht unbedingt ein Scheitern im Lateinischen; allerdings ist alleine um den Wortschatz zu lernen ein nicht unerhebliches Maß an Fleiß und Ausdauer notwendig.